(Artikel von Caroline Holowiecki)
Das Team der Kinderkirche der evangelischen Gemeinde Sillenbuch unterstützt seit Jahren Kinder in Madagaskar. Doch was passiert mit den Spenden?
Sillenbuch – Natacha ist 13 und lebt in Madagaskar. Sie ist ein Waisenkind. Natacha besucht die achte Klasse, nach Schulschluss geht sie ins Bildungszentrum Alabri. Dort lebt sie mit knapp 60 anderen Kindern und Jugendlichen in einem Schülerwohnheim. Nach dem Unterricht gibt es dort etwas Warmes zu essen, später stehen dem Mädchen außerschulische Angebote zur Verfügung. Für dieses Schuljahr hat sich die Teenagerin unter anderem Deutsch- und Französischkurse, Theater, zeitgenössischen madagassischen Tanz, Trommelunterricht, Korbflechten und Stricken ausgesucht.
Möglich macht das alles der Verein Ny Hary Deutschland mit Sitz in Kirchheim unter Teck. Dessen Ziel: die Bildungschancen madagassischer Schüler aus ländlichen Gegenden fördern. Der Club betreut das Projekt Alabri. Neben den knapp 60 Schülern, die im Wohnheim leben, erhalten hier täglich 200 Grundschüler aus armen Familien in der Stadt Miarinarivo und dem nahen Umland bei der kostenlosen Schülerspeisung etwas zu essen, nachmittags nehmen Hunderte Minderjährige an Bildungs- und pädagogischen Angeboten im offenen Jugendzentrum teil, erklärt der Kirchheimer Stefan Büschelberger, der Projektleiter. Mehr als 1500 Schüler habe man so bereits auf ihrem Bildungsweg mit Grundversorgung und außerschulischer Bildung begleiten können in einem Land, in dem laut Verein 36 Prozent der 15- bis 29-Jährigen über keinerlei Schulabschluss verfügen.
Einen Euro für die Lebensmittel für einen Tag
Das Ganze finanziert sich aus Spenden. „Mit einem Euro kann man die Lebensmittel für ein Kind im Wohnheim für einen Tag bezahlen“, erklärt er. Auch Natachas Alltag wird über Spenden finanziert, unter anderem aus Sillenbuch. Seit 2009 hat die Kinderkirche der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde eine Patenschaft für ein Kind. Mehrere junge Menschen aus Sillenbuch – Stefan Büschelberger spricht von mindestens drei – haben sich zudem schon vor Ort in Madagaskar im Rahmen eines Freiwilligendienstes engagiert. Zwei der ehemaligen Patenkinder, zwei Jungs, haben ihr Abitur gemacht und sich einem Studium gewidmet, Natacha wird seit 2019 unterstützt. „Was wir im Kindergottesdienst als Opfer erhalten, wird überwiesen“, erklärt Iring Gündler, eine Betreuerin der Kinderkirche. Auch der Erlös aus dem Gemeindebasar im Herbst sei zum Teil an Ny Hary gegangen.
Sie schenken dem Mädchen eine Perspektive
Laut Iring Gündler ist die Begeisterung in der Kinderkirche groß. „Natacha malt schön und schreibt uns Briefe“, erklärt sie. Dieser Tage ist wieder Weihnachtspost aus Sillenbuch nach Miarinarivo unterwegs. „Das kommt zwar nie rechtzeitig an“, doch sei es den Kinder stets wichtig, persönlich zu unterschreiben und ein Gruppenbild beizulegen. Zu wissen, wohin das Geld konkret geht, mache diese Art der Hilfe besonders. So oft es geht, würden die Kinder über das Projekt und Natacha informiert. „Das macht es schon sehr viel lebendiger. Die Kinder fiebern mit und nehmen Anteil“, erklärt Iring Gündler.
Im Inselstaat vor der afrikanischen Südostküste werden die Mittel laut Stefan Büschelberger dringend benötigt. „Es fehlt an Perspektiven, an Nahrung und sonstiger Versorgung. Da gibt es unglaublich viel zu tun“, sagt der 45-Jährige, der sich normalerweise vor Ort kümmert, wegen Corona aber aktuell in Deutschland weilt. Für Natacha bedeutet das Engagement der Sillenbucher Perspektiven. Auch ihr Bruder Larion lebt im Wohnheim, ein weiterer Bruder, Théophile, hat gerade sein Abi gemacht und kann durch ein Ny-Hary-Stipendienprogramm ein Studium starten.